Bauchgefühle
Heute steht die grosse Präsentation an. Allein beim Gedanken daran, spürst du, wie sich ein Grummeln in deinem Magen breit macht. Hast du etwa etwas Verdorbenes gegessen?
Viele Menschen kennen das: In einer stressigen Situation macht plötzlich die Verdauung nicht mehr mit. Gleichermassen verspüren wir auch ein Kribbeln im Bauch, wenn wir uns verlieben! Doch dies hat keine organische Ursache, sondern kommt durch die sogenannte Darm-Hirn-Verbindung zustande.
Schon davon gehört? In diesem Newsbeitrag schauen wir uns diese spannende Verbindung zwischen Kopf und Bauch genauer an, sprechen darüber, wie wir sie stärken können und welche Rolle die Darmflora dabei spielt.
Was ist die Darm-Hirn-Verbindung?
Der Darm und das Gehirn kommunizieren ständig miteinander – über Nerven, Hormone und Botenstoffe. Im Darm befindet sich ein eigenes Nervensystem, das sogenannte enterische Nervensystem, mit rund 100 Millionen Nervenzellen. Dieses Nervensystem im Bauchraum ist so ausgeprägt, dass es oft als «zweites Gehirn» bezeichnet wird.
Unser Gehirn im Kopf und das enterische Nervensystem kommunizieren miteinander. Das heisst, das Gehirn schickt Informationen nach unten, während es gleichzeitig auch Infos aus dem enterischen Nervensystem erhält.
- Vom Gehirn zum Darm: Wenn wir gestresst, ängstlich oder aufgeregt sind, wirkt sich das auf die Verdauung aus. So ist es weit verbreitet, dass Menschen auf Stress mit Verstopfung, Durchfall oder Bauchschmerzen reagieren.
- Vom Darm zum Gehirn: Umgekehrt beeinflusst auch der Zustand unseres Darms unsere Stimmung. Ein gestörter Darm, z. B. durch ungesunde Ernährung oder eine gestörte Darmflora, kann sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken – und sogar depressive Verstimmungen begünstigen. Rund 90% aller ausgetauschter Informationen fliessen «bottom up», das heisst aus dem enterischen Nervensystem in Richtung Gehirn.
Die Rolle der Darmflora
In deinem Darm tummeln sich Milliarden von Mikroorganismen – vor allem Bakterien –, die gemeinsam deine Darmflora, auch Mikrobiom genannt, bilden. Diese kleinen Mitbewohner wiegen zusammen rund 1,5 Kilogramm und sind echte Multitalente: Sie helfen dir nicht nur bei der Verdauung, sondern stärken dein Immunsystem und spielen eine wichtige Rolle in der Kommunikation mit deinem Gehirn.
Man könnte sagen: Geht es deiner Darmflora gut, geht es auch dir gut.
Denn einige dieser Bakterien sind in der Lage, Botenstoffe zu produzieren, die direkt auf deine Stimmung wirken. Ein besonders spannendes Beispiel ist Serotonin, das oft als «Glückshormon» bezeichnet wird. Es beeinflusst, wie gelassen, fröhlich oder stabil du dich fühlst. Und obwohl Serotonin vor allem mit dem Gehirn in Verbindung gebracht wird, entsteht rund 90 % davon im Darm! Damit ist der Darm nicht nur ein Verdauungsorgan – sondern ein echter Stimmungsmacher.
Aber damit nicht genug: Die Darmflora wirkt wie ein stiller Regisseur im Hintergrund. Sie beeinflusst unter anderem:
- Wie gut du schläfst
- Wie stressresistent du bist
- Wie dein Körper Entzündungen reguliert
Wissenschaftliche Studien zeigen sogar, dass ein Ungleichgewicht im Mikrobiom mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen in Verbindung stehen kann. Laut einer Metaanalyse aus 15 Studien war z.B. bei Personen mit Depressionen die Vielfalt der Darmbakterien eingeschränkt. Gleichzeitig zeigte sich bei Menschen mit Angstzuständen eine reduzierte Menge an guten Bakterien, die eigentlich Stoffe herstellen, die den Körper beruhigen und Entzündungen senken. Dafür hatten sie mehr von den Bakterien, die Entzündungen fördern können – was auch die Angst verstärken kann.
Die Forschung steckt in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Es gab jedoch bereits erfolgreiche Versuche, psychische Erkrankungen wie Depressionen durch die Transplantation einer gesunden Stuhlprobe zu lindern! Auch die Einnahme durch Probiotika (also «gute» Bakterien in Kapsel- oder Joghurtform) werden aktuell untersucht als mögliche Ergänzung oder Alternative zu Medikamenten.
Eine gesunde Darmflora steht auf jeden Fall mit einer gesunden Darm-Hirn-Achse in Verbindung – und diese kannst du aktiv unterstützen, durch das, was du isst, wie du lebst und wie du mit Stress umgehst.
Was bedeutet das für den Alltag?
Wenn du gut für deinen Darm sorgst, tust du also auch deinem Kopf etwas Gutes. Hier ein paar einfache Tipps:
- Ballaststoffreich essen: Bakterien in deinem Darm lieben Ballaststoffe! Indem du regelmässig zu Vollkornbrot, Haferflocken, Linsen, Bohnen, Brokkoli oder Karotten greifst, unterstützt du das Wachstum gesunder Darmbakterien. Das sorgt nicht nur für eine gute Verdauung, sondern kann auch deine Stimmung stabilisieren.
- Fermentierte Lebensmittel einbauen: Produkte wie Naturjoghurt, Sauerkraut, Kimchi oder Kefir enthalten lebende Mikroorganismen (Probiotika), die deine Darmflora stärken können. Schon ein Becher Joghurt am Tag kann einen Unterschied machen.
- Stress abbauen: Dauerstress kann die Darmflora aus dem Gleichgewicht bringen – das spüren viele Menschen mit Reizdarm oder nervösem Magen. Achte bewusst auf Auszeiten. Ob ein Spaziergang im Grünen, ein paar Minuten Atemübung oder eine Yoga-Einheit: Alles, was dir guttut, hilft auch deinem Bauchgefühl.
- Genug schlafen: Guter Schlaf ist wie ein Reset für Körper und Kopf – und auch für den Darm. Wer zu wenig oder unregelmässig schläft, bringt seine innere Uhr und damit auch die Darmflora durcheinander. Versuche, möglichst regelmässige Schlafenszeiten einzuhalten und für eine ruhige, dunkle Schlafumgebung zu sorgen.
- Ausreichend trinken: Auch das wird oft unterschätzt: Wasser hält die Verdauung in Schwung und hilft, Nährstoffe besser aufzunehmen. Ideal sind rund 1.5 bis 2 Liter pro Tag – am besten in Form von Wasser oder ungesüsstem Tee.
Fazit
Die Wissenschaft zeigt: Dein Bauch ist mehr als nur ein Verdauungsorgan – er ist ein wichtiger Kommunikationspartner deines Gehirns. Die Darm-Hirn-Verbindung beeinflusst, wie du dich fühlst, wie du schläfst und wie gut du mit Stress umgehen kannst. Und das Beste daran: Du kannst aktiv etwas dafür tun. Mit einer darmfreundlichen Ernährung, ausreichend Schlaf, Bewegung und kleinen Pausen für dich selbst stärkst du nicht nur deine körperliche Gesundheit, sondern auch deine mentale Widerstandskraft. Also: Wenn dir das nächste Mal dein Bauchgefühl etwas sagt – hör ruhig hin. Vielleicht ist es dein zweites Gehirn, das sich meldet.
Referenzen:
Best of Focus: Gregor Hasler über die Darm-Hirn-Verbindung. (o. D.). Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). https://www.srf.ch/audio/focus/best-of-focus-gregor-hasler-ueber-die-darm-hirn-verbindung?id=20beb3af-e0a9-4907-aaa7-fdbeff62d844
Das Bauchhirn - die Darm-Hirn-Achse. (o. D.). Das Bauchhirn - die Darm-Hirn-Achse | Zeller. https://zellerag.ch/de/zeller-blog/das-bauchhirn/
Runde, M. (2025, 28. Februar). Darm-Hirn-Achse: Wie der Darm unsere Psyche beeinflusst. tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/darm-hirn-achse-100.html
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Wie viel Gehirn steckt in unserem Darm? (2025, 29. Januar). Apple Podcasts. https://podcasts.apple.com/kg/podcast/wie-viel-gehirn-steckt-in-unserem-darm/id1637836095?i=1000686498168