Wieso Alleinsein gut tut und Einsamkeit krank macht

Alleinsein vs. Einsamkeit

Bist du gern allein?
Fühlst du dich einsam?

Die letzten zwei Jahre Pandemie – dominiert von Social Distancing, Home-Office, Quarantäne und Isolation – haben dazu geführt, dass wir plötzlich mehr alleine waren. Vielleicht hat es auch dazu geführt, dass wir uns heute mehr mit dem Thema Einsamkeit und Alleinsein auseinandersetzen als je zuvor. Obschon die meisten von uns in ihrem Leben irgendwann mal Gefühle von Einsamkeit erleben, ist Einsamkeit in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabuthema und mit viel Scham behaftet. Weshalb ist das so? Und was genau ist eigentlich Einsamkeit respektive wann bin ich einsam und wann bin ich einfach nur allein? Diese Fragen wollen wir hier beantworten.

Was ist Einsamkeit und wie unterscheidet sie sich vom Alleinsein?

Auch wenn die Begriffe im ersten Moment sehr ähnlich scheinen, können sie eindeutig voneinander unterschieden werden. Beim Alleinsein handelt es ich um einen Zustand, bei dem eine Person physisch keine andere(n) Person(en) um sich hat. Wenn du zum Beispiel alleine im Wald spazieren gehst oder alleine in deinem Wohnzimmer auf dem Sofa sitzt, dann bist du allein – aber nicht unbedingt einsam. Das Alleinsein ist zudem häufig selbstbestimmt. Das heisst, du wählst solche Situationen in den meisten Fällen bewusst aus, weil du Zeit für dich brauchst oder dich zurückziehen möchtest.
Die Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl, eine Emotion. Eine Person, die sich einsam fühlt, fühlt sich von der Welt ausgeschlossen und unverstanden. Niemand scheint sich für einen zu interessieren. Hinter der Einsamkeit steckt vielfach das unbefriedigte Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit. Dabei ist das Gefühl unabhängig davon, ob man sich unter Leuten befindet oder nicht. Es ist durchaus möglich, sich einsam zu fühlen obwohl man physisch betrachtet nicht alleine ist. Ein weiterer, wichtiger Unterschied zum Alleinsein ist die Unfreiwilligkeit. Man möchte dazugehören, mit anderen Menschen verbunden sein und doch scheint keine der bestehenden Beziehungen dieses Bedürfnis zu erfüllen oder es existiert überhaupt keine Beziehung, die dieses Bedürfnis erfüllen könnte. Zur Einsamkeit gesellt sich häufig ein Gefühl der Hilflosigkeit. Obwohl ziemlich sicher jeder von uns irgendwann im Leben das Gefühl der Einsamkeit kennenlernt, spricht kaum jemand darüber. Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft eine unsichtbare Emotion. Wieso das? Ein Grund dafür ist, dass Einsamkeit fälschlicherweise viel zu oft als individuelles Problem angesehen wird. Es ist quasi dein eigenes Versagen, wenn du dich einsam fühlst. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf möchte wohl kaum jemand zugeben einsam zu sein. Hinzu kommt, dass sich Einsamkeit meist nicht sofort offenbart. Betroffene Personen ziehen sich immer mehr zurück – werden auf eine Art unsichtbar und leise. Von aussen ist Einsamkeit nicht immer gut zu erkennen.

Kennst du das Gefühl der Einsamkeit? Oder hast du es vielleicht bei anderen Mitmenschen beobachtet? Was denkst du, wie viele von uns sich einsam fühlen?

Wie einsam fühlen wir uns?

Die im Jahr 2017 durchgeführte Schweizerische Gesundheitsbefragung hat ergeben, dass sich rund 39% der Personen in der Schweiz manchmal oder oft einsam fühlen. Das ist eine beträchtliche Anzahl. Bedenken wir doch, dass die Befragung noch vor der Covid-19 Pandemie stattgefunden hat. Einsamkeit wird öfters mit älteren Personen in Verbindung gebracht. Kaum jemand denkt als erstes daran, dass auch Jüngere davon betroffen sind. Tatsächlich zeigen die Zahlen, dass die Altersgruppe von den 15- bis 24-Jährigen sogar die höchste Prozentzahl aufweist – nämlich 48%. Mit zunehmendem Alter scheint die Einsamkeit leicht zu sinken (bis auf 32% bei Personen im Alter von 65+). Dies könnte daran liegen, dass besonders in jungen Jahren vieles im Umbruch ist. Man verlässt das Elternhaus, zieht möglicherweise weiter weg und steigt ins Berufsleben ein. Dies hat viele Veränderungen im sozialen Netzwerk zur Folge. Danach stabilisiert sich das Netzwerk wieder. Einige gründen ihre eigene Familie oder leben in einer Partnerschaft. Je nach Lebenssituation kann das Gefühl der Einsamkeit stark variieren.

Trotz leichter Abnahme mit steigendem Alter darf die immer noch hohe Prozentzahl nicht unterschätzt werden. Schliesslich fühlen sich immer noch rund ein Drittel der Personen manchmal bis oft einsam!

 

«Niemand ist immun gegen das Gefühl, isoliert zu sein.»
− John Cacioppo –

 

Einsamkeit betrifft uns alle und hat viele Gesichter!

Was macht Einsamkeit mit uns?

Wir Menschen sind soziale Wesen und soziale Bindungen tragen zu unserer psychischen und körperlichen Gesundheit bei, insbesondere in stressreichen Situationen. Folglich hat Einsamkeit häufig negative Auswirkungen auf uns. Einsamkeit führt zu Stress. Dieser wiederum erhöht den Blutdruck, was das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen erhöht (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Das Immunsystem wird geschwächt und Infektionen und Krebserkrankungen werden wahrscheinlicher. Hirnscans konnten zeigen, dass Einsamkeit im Gehirn die gleichen Hirnareale aktiviert wie körperliche Schmerzen. Nebst den körperlichen Leiden, die entstehen können oder begünstigt werden, wirkt sich die Einsamkeit auch auf unsere psychische Gesundheit aus. Einsamkeit wird mit Depressionen, geringem Wohlbefinden, Angstzuständen und Schlafstörungen in Verbindung gebracht.
Alleinsein hingegen kann durchaus positive Effekte haben. So kann die Zeit / der Zustand genutzt werden, sich mit selbst auseinanderzusetzen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und neue Kraft zu schöpfen. Sich bewusst zurückzuziehen, sich eine Auszeit zu nehmen, kann wohltuend wirken.

 

«Einsamkeit ist ein guter Platz, um auf Besuch zu gehen, aber ein schlechter, um zu bleiben.»
- Henry Wheeler Shaw -

 

Was kann ich gegen Einsamkeit tun? – Rat & Hilfe 

  • Da Einsamkeit uns alle betrifft, ist es wichtig, dass wir hinhören. Wie geht es unseren Mitmenschen? Wie fühlen sie sich?
  • Sprich über deine Gefühle. Nicht nur über die positiven, sondern auch dann, wenn es dir schlecht geht oder du dich einsam fühlst. Trage dazu bei, die Einsamkeit zu enttabuisieren. Darüber zu reden hilft nicht nur, sondern verbindet auch. Vergiss nicht: Du bist nicht allein!
  • Unternimm Dinge, die dir Spass machen. Welche Aktivitäten bereiten dir Freude? Gibt es möglicherweise eine Gruppe von Personen in deiner Umgebung, die dieselbe Aktivität gemeinsam ausführt? Wage den Schritt und melde dich bei ihnen.
  • Melde dich bei deinem Umfeld. Schreibe jemandem eine Nachricht oder ruf an.
  • Nimm Unterstützung an.

Unter den folgenden Links findest du einige Fachstellen und Angebote:

 

 

 

 

Referenzen
Bundesamt für Statistik. (2019, 19. August). Einsamkeitsgefühl. Schweizerische Eidgenossenschaft. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/migration-integration/integrationindikatoren/indikatoren/einsamkeitsgefuehl.html
Courtin, E., & Knapp, M. (2017). Social isolation, loneliness and health in old age: a scoping review. Health & social care in the community, 25(3), 799-812. https://doi.org/10.1111/hsc.12311
Cacioppo, J. T., Hawkley, L. C., Crawford, L. E., Ernst, J. M., Burleson, M. H., Kowalewski, R. B., Malarkey, B., Van Cauter, E., & Berntson, G. G. (2002). Loneliness and health: Potential mechanisms. Psychosomatic medicine, 64(3), 407-417.
Hawkley, L. C. (2022). Loneliness and health. Nature Reviews Disease Primers, 8(1), 1-2. https://doi.org/10.1038/s41572-022-00355-9
Jäggi, S. (2018, 18. November). Volksproblem Einsamkeit. «Ich habe keine einzige Freundin». Schweizer Radio und Fernsehen. https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/wochenende-gesellschaft/volksproblem-einsamkeit-ich-habe-keine-einzige-freundin
Pro Mente Sana. (o.D.). Dossier «Einsamkeit». https://promentesana.ch/angebote/anzeichen-erkennen/dossier-einsamkeit
Schmidt, D., & Jähn, T. (2020, 24. April). Einsamkeit - ein gefährliches Gefühl. Mdr Wissen. https://www.mdr.de/wissen/einsamkeit-ein-gefaehrliches-gefuehl-100.html

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