Workation
Bist du gerade im Urlaub und arbeitest gleichzeitig? Dann liegst du voll im Trend und betreibst Workation – eine Kombination aus Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub).
Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, ist für viele digitale Nomad/-innen, Freelancer/-innen und Angestellten im Homeoffice zur neuen Realität geworden. In einer zunehmend vernetzten Welt verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer mehr. Doch wie wirkt sich diese Vermischung von Arbeit und Freizeit auf unsere mentale Gesundheit aus? Und wie gelingt die richtige Balance?
Was versteht man unter dem Begriff «Workation»?
Workation beschreibt einen Arbeitsaufenthalt an einem Urlaubsort. Dabei arbeitet man mit dem Laptop von einem inspirierenden Ort aus, beispielsweise am Strand, in den Bergen oder in einem gemütlichen Café, idealerweise mit Blick aufs Meer, im Schatten einer Palme oder mit den Füssen im See.
Eine Workation kann von Unternehmen unterstützt oder sogar initiiert werden, aber auch privat organisiert sein. Einige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden inzwischen gezielt die Möglichkeit, zeitweise von einem Ferienort aus zu arbeiten, um Motivation, Kreativität und Wohlbefinden zu steigern.
Workation: Wie Natur und Ortswechsel die Produktivität fördern
Der Tapetenwechsel – also das Arbeiten in einer ungewohnten Umgebung – kann erhebliche Auswirkungen auf die kognitive Leistung und die Problemlösungsfähigkeit haben. Durch den Ortswechsel wird das Gehirn aus gewohnten Denkmustern gerissen, was die kreative Denkfähigkeit erhöht. Die kognitionspsychologische Forschung zeigt, dass neue Reize und Umgebungen das divergente Denken fördern – also die Fähigkeit, mehrere Lösungsansätze für ein Problem zu finden.
Zentrale Effekte:
- Steigerung der Kreativität durch neue visuelle, soziale und kulturelle Eindrücke
- erhöhte Motivation durch Veränderung der Routine und den Reiz des Neuen
- Reduktion mentaler Ermüdung, da bekannte Stressoren aus dem Arbeitsumfeld wegfallen
Um diese Effekte zu erzielen, musst du jedoch nicht zwingend auf eine einsame Insel verreisen. Es reicht aus, wenn du deinen Arbeitsort wechselst und statt im Büro beispielsweise zu Hause oder in einem Coworking Space arbeitest. Zentral ist die ungewohnte Umgebung, die sich positiv auf deine Arbeitsleistung auswirken kann.
Die Nähe zur Natur – sei es durch Spaziergänge, Arbeiten mit Blick ins Grüne oder Aktivitäten im Freien – wirkt sich direkt positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden aus. Dies lässt sich durch die sogenannte Attention Restoration Theory (ART) erklären. Demzufolge helfen natürliche Umgebungen, die erschöpfte Aufmerksamkeit des Gehirns zu regenerieren. Zahlreiche Studien belegen zudem, dass Naturerfahrungen Stress reduzieren, den Blutdruck senken und die Konzentration fördern. Wenn du morgens am Meer joggst oder in der Mittagspause durch den Wald spazierst, wirkt sich das positiv auf deine mentale Gesundheit aus.
Die räumliche Distanz zum Alltag schafft zudem eine mentale Entkoppelung von eingefahrenen Routinen und Konflikten im Büroalltag. Dadurch ist man in der Lage, Probleme mit neuer Perspektive zu betrachten und Stressoren besser zu bewältigen.
Herausforderungen bei der Workation
Eine der grössten Herausforderungen ist das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Ohne klare Strukturen kann dies zu Überarbeitung oder einem ständigen „Always-on“-Gefühl führen, was der mentalen Gesundheit schadet.
Ein weiterer Aspekt ist das Thema Einsamkeit. Wer allein reist und arbeitet, kann sich zunehmend einsam fühlen. Der fehlende soziale Austausch mit Kolleg/-innen sowie Freund/-innen oder Familie kann das emotionale Gleichgewicht belasten, insbesondere bei längeren Aufenthalten.
Neben den persönlichen und sozialen Herausforderungen dürfen auch die technischen und organisatorischen Hürden nicht vergessen werden. Schlechte Internetverbindungen, Zeitverschiebungen und rechtliche Aspekte wie Visafragen oder Steuerpflichten können Stress verursachen – vor allem, wenn sie unvorbereitet auftreten.
Workation und mentale Gesundheit – eine Frage der Planung
Wenn sie richtig umgesetzt wird, kann eine Workation die mentale Gesundheit stärken. Dafür sind klare Strukturen und realistische Erwartungen jedoch entscheidend. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass es eine Frage der Persönlichkeit und der Vorlieben ist, ob eine Workation das Richtige ist.
Tipps für eine gesunde Workation:
- Arbeitszeiten definieren: Feste Zeitfenster für Arbeit und Freizeit einplanen. Die To-do-Liste gehört ins Homeoffice, nicht an den Strand.
- Erholungsphasen bewusst einbauen: Auch in der Workation braucht der Geist Pausen. Microbreaks, Bewegung, Meditation oder einfach Nichtstun wirken Wunder.
- Kommunikation klären: Triff im Vorfeld klare Absprachen mit dem Team oder den Vorgesetzten über Erreichbarkeit und Aufgaben.
- Den Ort bewusst wählen: Eine Workation mitten in einer lauten Grossstadt mag aufregend sein, ist aber nicht immer erholsam. Orte mit Natur, guter Infrastruktur und inspirierender Atmosphäre wirken nachhaltiger.
- Soziale Kontakte pflegen: Wenn möglich, sollte man zu zweit reisen oder sich in Coworking Spaces mit Gleichgesinnten vernetzen, um das Gefühl von Isolation zu reduzieren. Per Telefon oder Videoanrufen mit den Freunden und der Familie zu Hause in Kontakt bleiben, kann ebenso helfen, dass man sich nicht einsam fühlt.
Fazit
Workation ist kein Allheilmittel gegen Stress oder Überarbeitung. Wenn sie jedoch richtig geplant und bewusst durchgeführt wird, kann sie ein wirksames Instrument sein, um mentale Erschöpfung vorzubeugen, die Motivation zu steigern und neue Perspektiven zu gewinnen. Die Kombination aus Arbeit und Erholung erfordert Disziplin, Selbstreflexion und klare Grenzen. Wer es schafft diese Balance zu halten, wird mit mehr Lebensfreude und Produktivität belohnt – und oft sogar mit neuen Ideen für die eigene Arbeit.
Referenzen:
Berman, M. G., Jonides, J., & Kaplan, S. (2008). The cognitive benefits of interacting with nature. Psychological Science, 19(12), 1207–1212. https://doi.org/10.1111/j.1467-9280.2008.02225.x
Felstead, A., & Henseke, G. (2017). Assessing the growth of remote working and its consequences for effort, well-being and work-life balance. New Technology, Work and Employment, 32(3), 195–212. https://doi.org/10.1111/ntwe.12097
Gifford, R. (2014). Environmental psychology matters. Annual Review of Psychology, 65, 541–579. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-010213-115048
Hunter, E. M., & Wu, C. (2016). Give me a break: Examining the cognitive and affective benefits of breaks at work. Journal of Applied Psychology, 101(2), 302–311. https://doi.org/10.1037/apl0000045
Kaplan, S. (1995). The restorative benefits of nature: Toward an integrative framework. Journal of Environmental Psychology, 15(3), 169–182. https://doi.org/10.1016/0272-4944(95)90001-2
Maddux, W. W., & Galinsky, A. D. (2009). Cultural borders and mental barriers: The relationship between living abroad and creativity. Journal of Personality and Social Psychology, 96(5), 1047–1061. https://doi.org/10.1037/a0014861
Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204–221. https://doi.org/10.1037/1076-8998.12.3.204
Ulrich, R. S. (1984). View through a window may influence recovery from surgery. Science, 224(4647), 420–421. https://doi.org/10.1126/science.6143402